Wie sich der Bayerische Rundfunk auf allen Kanälen um Kopf und Kragen sendet

Ein medialer Selbstversuch

Wir kennen uns nicht. Genauer: ich kenne ihn sehr lange und sehr gut, aber er kennt mich nicht. Also kennen wir uns nur in einer Richtung. Das soll sich ändern, will sagen: wir werden uns jetzt kennenlernen. Wir, das ist einerseits er, der Bayerische Rundfunk, amtlicher Hörfunk und amtliches Fernsehen des Freistaats, der von einem Volljuristen, Bierzeltredner und mathematisch-naturwissenschaftlichen Nichtschwimmer namens Marcus Söder regiert wird. Andererseits bin da ich, ein denkender, fühlender, erlebender und, ich gestehe es, vom Programm des BR durch und durch genervter Mensch.

„Was hat denn der Bayerische Rundfunk mit Herrn Söder zu tun?“, wird sich der Leser fragen. Nun, der Bayerische Rundfunk ist, trotzdem er von allen Bayern finanziert wird, schon immer ein Organ der Staatsregierung. Das ist er nicht zu jeder Tageszeit, gewiss. Da bekommen aus Gründen der Ausgewogenheit die letzten Jugendlichen, die überhaupt noch Radio hören, im Zündfunk am Vorabend auf Bayern 2 linke Thesen von Menschen, die sich selbst als „Moderator Innen“ verstehen, dazu schwer verdaulichen Elektropop, Beiträge über Gender Shift, Klima-Empörung und oben drauf flotte Antifa-Sprüche, die der Jugend das Tragen der Alltagsmaske, abrufbaren Altruismus, Russophobie und einen gewissen Gehorsam hip reden. Auf BR Alpha gibt es gut gemachte Bildungs-Doku und Bundestagsreden, im Bayerischen Fernsehen Heimatliches, Bayern 3 ist in alle bayerischen Autos fest als Beschallung installiert, Bayern 1 und 2 hört man in allen tagsüber bewohnten Haushalten. Auf allen Kanälen bekommt man stündlich einen brauchbaren Wetterbericht. Auf Bayern 2, dem Sender den ich so liebte, wie einst als Student die Süddeutsche Zeitung, den ich aber im Gegensatz zum Abo letzterer nicht ohne Weiteres im Zorn kündigen kann, ist die Abwechslung wirklich groß. Das Sonntagshuhn am Sonntag Morgen eine unserer liebsten Sendungen, ein heiterer, unpolitischer Muntermacher. Seitdem aber der Landesvater, dessen Verkündungen seit März 2020 nicht wenigen Mitbürgern einen trockenen Hustenanfall bescheren, einen ähnlich trockenen Husten namens Covid-19 mit ebenso sichtbarer wie wirrer Symbolpolitik bekämpft, ist nur noch sehr wenig beim Alten.

Um nicht in Polemik abzugleiten, sei hier ein konkreter, kleiner Ausschnitt meiner Medienwoche beschrieben, die ich – unspektakulär – als aktiver Darsteller im BR Fernsehprogramm erleben durfte. Lassen sie es sich erzählen, vollziehen Sie es nach.

Am Mittwoch, 23.09.2020 erschienen vormittags zwei sympathische Mitarbeiter des BR mit Kamera und Mikrofon bei mir, um eine Stimme über die sozialen Auswirkungen der Corona-Diskussionen für das bayerische Fernsehen einzufangen. Das Interview mit den beiden Herren dauerte eine dreiviertel Stunde und fand vor laufender Kamera statt. Interessant, wie klein und handlich die Ausrüstung von Fernsehreportern inzwischen ist. Wir sprachen über dies und das, ich konnte einige meiner Thesen ausbreiten. Fragen und freundlicher Widerspruch des Interviewers führten uns durch eine durchaus angenehme Diskussion. Wir hätten das Ganze auch Abends in einer Kneipe bei einem gemütlichen Bier fortsetzen können. Die beiden BR-Mitarbeiter waren wohl auf Linie mit WHO, Charité, Spahn und Söder, also brave Staatsbürger, wie man sie sich beim BR eben vorstellt. Ich hingegen gebe zu, ein Corona-Kritiker der ersten Stunde zu sein. Nein, ich bin kein Verschwörungstheoretiker, auch kein QAnon-Anhänger, sondern ein Technokrat, ein zahlengläubiger promovierter Chemiker mit einschlägigen Kenntnissen, der gar nicht an der Existenz des Virus SARS-CoV-2, aber wohl am Sinn der einen oder anderen staatlichen Maßnahme zweifelt. Ich halte aus tiefen Gründen nichts von Masken, völlig d‘accord mit führenden Experten bis hin zu Prof. Drosten, bevor der so auffällig seine Meinung änderte. Dagegen lernte ich bereits als Kind von meiner Oma, in der Erkältungszeit meine Finger vom Gesicht fern zu halten, dieselben bei jeder Gelegenheit zu waschen, einen Schal zu tragen und schniefende Menschenansammlungen ein Wenig zu meiden. Ich komme mit diesem persönlichen Hygienekonzept bereits ein halbes Leben sehr gut durch jeden Winter. All das durfte ich in die Kamera sagen, sogar, dass ich öffentlich rechtliche Medien für mit verantwortlich halte für die polarisierte und emotionalisierte Diskussion über Corona. Morgen Abend sei Sendetermin und ich wäre wohl eine Minute zu sehen, was im Fernsehen viel ist. Es folgte ein freundlicher Abschied.

Schnitt. Am Mittwoch Abend verfolgte ich im bayerischen Fernsehen in der Münchner Runde eine interessant zusammengesetzte Talkshow. Da saß doch tatsächlich Markus Haintz, ein Protagonist der Querdenker, seines Zeichens Volljurist und Anwalt für Straf- Bau- und Verwaltungsrecht zwischen keinem geringeren als Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), ebenfalls Jurist und gefühlt seit der letzten Eiszeit Bewohner der Staatskanzlei, und einem gewissen Olaf Sundermeyer, Berufsabschluss nicht ganz klar, derzeit als Extremismus-Experte im Sinne „den Bock zum Gärtner machen“ in diversen Fernsehshows unterwegs. Welch interessante Mischung, dachte man sich: ein Querdenker an einer Stelle, wo Frank Plasberg am Montag im entsprechenden Format der ARD noch Karl Lauterbach, den obersten Apokalyptiker sitzen hatte, und gerade mal fünf Tage nach einem zünftigen verbalen Schlagabtausch eben dieses Querdenkers mit der Landshuter Polizei auf einer Kundgebung. Das ist neu, das ist liberal, das könnte interessant werden!

Aber weit gefehlt. Diese Talkshow war im Wesentlichen dafür aufgesetzt, Kritische Stimmen in Persona Markus Haintz als verantwortungslose Rechtsradikale zu brandmarken. Die zweite Corona-Welle brandete im Vorfilm mit voller Wucht über den Zuschauer, ein vollkommen unfähiger Moderator Christian Nitsche, zu meinem Schrecken offenbar Chefredakteur, war gehalten, zusammen mit einer aus dem hohen Norden zugeschalteten Leiterin einer Lungen-Rehaklinik, die offenbar vor Corona nie Patienten mit Pneumonie-Nachwirkungen gesehen hatte, ein möglichst düsteres Bild von den Corona-Langzeitfolgen zu zeichnen, und das keine neun Monate nach dem allerersten Auftreten dieser Krankheit. Herr Nitsche war dann nicht willens oder befähigt, den Radikalismus-Experten Sundermeyer davon abzuhalten, seine private Meinung auf den lächelnden Anwalt der Querdenker einzukläffen. Wahrscheinlich ging es ihm mit Herrmann wie dem Kaninchen mit der Schlange. Wie verstörend schlecht diese Sendung war, fasst ein Kommentator hier sehr gut zusammen. Mir schwante nichts Gutes für den nächsten Tag.

Donnerstag Morgen, Radio an. Das erste Wort, das ich nach dem Einschalt-Knacker vernehme, ist in der Tat das Wort „Corona“. Es geht um die neuesten Horror-Meldungen aus München, Maskenpflicht im Freien in der Innenstadt und dass Söder die Bundeswehr bitten will, bei der Einhaltung behilflich zu sein. Bußgelder, schreckliche Konsequenzen, die Spanier und die Franzosen erleben auch gerade das zweite große Sterben. Selbstverständlich sind die Radiomoderatoren völlig unkritisch. Ob es tatsächlich eine zweite Welle gibt, wird nicht weiter hinterfragt. Nicht konzentriert hinhörend gelangt hie und da ein Reizwort an mein Ohr: Verschwörungstheorie, Unvernunft, Reiserückkehrer, Private Feiern einschränken, Fußball-Ischgl in Budapest, unverantwortliches Risiko, rechtsoffen. Ein Trommelfeuer Ideologie und Staatsdoktrin, Widerstand ist zwecklos. Ich schalte das Radio irgendwann wieder ab.

Zur besten Sendezeit dann die ganze Familie vor den Fernseher. 20:15 Uhr kommt Quer, ein inzwischen etwas betagtes, meiner Erinnerung nach bisweilen recht originell gemachtes Magazin mit Christoph Süß. Der erste Beitrag ist gleich der ersehnte, und ich komme auch zu Wort. Leider wird schnell klar, dass Süß und sein Team zwar Quer heißen, mit Querdenken aber gar nichts am Hut haben – wieso auch. Es entsteht ein Gesamtbild, in das meine belanglosesten Worte aus dem Interview des Vortags irgendwo ohne Sinn und Zweck eingebettet werden. Ich fasse für die Zuschauer, die keine Zeit für die Mediathek des BR haben, meine Interpretation der ersten beiden Beiträge dieser Sendung hier zusammen:

1. Verschwörungstheoretiker sind total nervig. Glauben so abstruses Zeug. Das hält ja keiner aus. Sagt ein Mitarbeiter aus der Filterblase des BR, der kurzerhand zu Hause interviewt wurde.

2. Verschwörungsmythen kommen ganz oft aus alternativen Medien, zum Beispiel, am Logo erkennbar aus KenFM. Aus Staatsmedien kommen keine Verschwörungsmythen. (Anmerkung: Dass Nawalny von Putin mit Nowitschok vergiftet wurde stimmt ganz gewiß, und kommt daher auch in den Hauptnachrichten.)

3. Man kann bei beginnender Verschwörungstheoritis geheilt werden. Aber nur ganz früh. Später kommt man da nicht mehr raus, sagt ein Psychiater. Der Psychiater ist Doktor, das unterstreicht seine Kompetenz. Ich bin in diesem Beitrag nicht Doktor, sondern ein Funk-Gitarrist, der in einem verregneten Provinznest lebt. Na gut.

4. Wenn einer wie ich auf Corona-Demos geht, dann marschiert er dort mit ganz vielen Verschwörungstheoretikern. Darüber könnte man als durch und durch vernünftiger Mensch ja lange diskutieren, aber lassen wir das mal heute … Außerdem kann ja wirklich jeder, der da mitläuft behaupten, er sei kein Verschwörungstheoretiker. Wer kann das schon nachprüfen?

4a. dann meine Kernaussage „wenn eine Diskussion nicht weiter führt, muss man eben was Anderes machen, zum Beispiel Musik“. Wahnsinn, bin ich ein schlaues Kerlchen. Wir 45 min. miteinander geredet, die meiste Zeit über Gehaltvolleres.

5. Die wichtigste Verschwörungstheorie ist diese Ekel erregende QAnon-Story. Die glauben die Verschwörungstheoretiker ja alle! Das ist diese Geschichte von den unterirdisch gehaltenen Kindern, aus denen gelegentlich eine Jugend-Essenz extrahiert wird. Unglaublich, was der Soros und der Gates und die Hillary da treiben. Und mit einem Chip impfen wollen die uns auch. Ich kenne zwar ein Paar Esoteriker und habe auch schon Verschwörungstheoretiker getroffen, die handfesten Unsinn erzählen, aber so was Krankes haben die, die ich kenne, nie von sich gegeben. Hat den Quatsch etwa die CIA erfunden, um es Nonkonformisten in die Schuhe zu schieben? Verdammt: diese Hypothese ist ja auch eine Verschwörungstheorie.

6. Wir gehören selber zur Elite, sollten also die Elite besser nicht kritisieren. Das war der beste Gag in der Sendung. Der Zweitbeste war: wir, die Öffentlich Rechtlichen prangern diese Mißstände an. Die anderen sitzen doch bloß im Glas-Treibhaus und schmeißen Steine. Sagt ein in irritierender Weise moralisierender Elite-Moderator. Wer wenn nicht er muss es wissen?

7. Verschwörungstheoretiker haben’s gerne einfach. Nur so richtig echte Checker checken es wirklich. Zitat C. Süß, überlegen lächelnd: „ja mei, d’Leut“.

Ich frage mich wirklich, wie die Bayerische Staatsregierung und Ihr Sprachrohr BR dieses Spiel gewinnen will? Das Virus ist weltweit außer Kontrolle und nicht mehr zu beseitigen. Sollte es gefährlich sein, dann werden die jetzt diskutierten Maßnahmen, etwas Maske hier und etwas Lockdown da plus Kinderschikane in den Schulen es nicht daran hindern, größeren Schaden anzurichten. Bayern ist schon jetzt das am stärksten betroffene Bundesland. Der noch schlimmere Fall für alle, die noch immer Panik verbreiten und wie wild an einem Steuerrad drehen, das den Verlauf der Seuche nicht zu beeinflussen scheint, ist dieser: das Virus hat sich längst nicht als der große Killer erwiesen. Alle Daten deuten darauf hin, dass es zumeist gar nichts, oft eine leichte Erkältung, selten einen üblen Husten und in tragischen, seltenen Fällen eine Lungenentzündung mit verursacht. Bei 600.000 Lungenentzündungen in Deutschland, von denen 100.000 zur Beatmung führen und 40.000 zum Tod, scheint dieses Virus nur einen Teil des schon immer bekannten Leids zu sein. Die zweite Welle wird uns nach dem, was viele Experten inzwischen erkannt haben wohl nur noch als Teil der winterlichen Erkältungssaison erreichen. Man kann auf Basis dieser Erkenntnis wohl jede Menge Politik machen. Aber was passiert, wenn diese Masche auffliegt?

Noch einmal anders und als Frage, die schon neulich in der Neuen Züricher Zeitung gestellt wurde: Was, wenn am Ende die Covidioten Recht haben? Immerhin haben sachunkundige Politiker vom Schlage eines Söder, Spahn, und Experten wie Drosten, mit sich schnell drehender Meinung einen Billionenverlust in der Wirtschaft, Arbeitsplatzvernichtung in historischer Dimension und riesige kulturelle und soziale Schäden angerichtet. Die nächste Wahl kommt ganz bestimmt. Für den Bayerischen Rundfunk wird es dann eventuell heißen: neue Besen kehren gut. Ich wünsche mir an seiner Stelle einen Dampfstrahler.